KI-Campus. Quo vadis?

Wir (Mandy Schiefner-Rohs und ich mit Team) haben aus einer kleinen Förderung des BMBF im Jahr 2021/2022 ein Kursangebot zur Datenkompetenz von (angehenden) Lehrer:innen erstellt. Dabei haben wir Konzepten zur Ethik von Daten in Bildungskontexten mit anwendungsorientierten Fragen zur Nutzung von Bildungsdaten kombiniert. Über das Projekt Data2Teach konnten wir im September 2022 den Kurs Data2Teach auf dem KI-Campus anbieten. Der Kurs ist sicherlich nicht der bekannteste und begehrteste auf dem Campus, aber wir beobachten stetigen Zuwachs von Einschreibungen und nutzen den Kurs und/oder Anteile in der eigenen Lehre.

Nun erreichte mich vor einigen Wochen die folgende Mitteilung des Teams des KI-Campus: “Das KI-Campus-Team befindet sich derzeit in einem extensiven Reviewprozess, der eine Schärfung unseres Portfolios vorsieht. Nach sorgfältiger Überprüfung von Kennzahlen und Nutzer:innen-Feedback sowie von Kriterien in den Bereichen Didaktik, Lerninhalte und Assessment des Kurses haben wir uns den entschieden, den Kurs zu archivieren.”

Nach nur 20 Monaten endet also das Hosting unseres Kurses, obwohl die offene Bereitstellung des Kursangebotes Teil der Förderbedingungen des BMBF für unser Projekt war. So viel dann zur Plattform für offene Bildung. Persistenz scheint nicht das Konzept des KI-Campus zu sein. Nach einigen E-Mails finden wir heraus, dass die “sorgfältige Überprüfung der Kennzahlen” ein internes Review von 2 Gutacher:innen im Juli 2023, die insgesamt einige Fehler entdeckt haben und die sog. “KPIs” des Campus schlecht bewerteten (Anzahl der Lernenden, Leistungsnachweise etc.. Hier gibt es Hinweise zum Kriterienraster). Leider hat uns dieses Review nie erreicht. Der Grund dafür blieb leider unbeantwortet.

Zudem wird uns mitgeteilt, dass der sog. Qualitätssicherungsprozess damit verbunden ist, dass das HPI Ende 2024 aus der Produktion des Lernmanagementsystems des KI-Campus aussteigt und damit alle Kurse von der Plattform OpenHPI auf Moodle umgezogen werden müssen. Nur um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: Das Projekt KI-Campus 1.0 endete zum Dezember 2022 und es wurden bis dahin laut dieser Auskunft des Bundestages 35,98 Mio EUR verausgabt um eine Lernplattform für KI zu entwickeln und nun ist die technische Basis dieser Entwicklung obsolet. Jemand Fragen? Nein, nur Jubel und fröhliche Gesichter auf LinkedIn. Zudem gibt es ja die Folgeförderung und wenn ich es dem obigen Dokument des Bundestages richtig entnehme, noch viel mehr Geld in den Jahren 2023 - 2025 (Ich verstehe aber nicht, was “gebunden” in diesem Zusammenhang bedeutet).

Bei der Entwicklung des Kurses ist mir neben der recht eingeschränkten technischen Funktionalität im Vergleich zu ähnlichen Plattformen (OpenEdX, Moodle) aufgefallen, dass auch unsere Möglichkeit der forschungsbasierten Weiterentwicklung des Kurses durch den KI-Campus sehr eingeschränkt wurden, da wir nur sehr wenige Fragen zur Standard-Evaluation der Plattform zufügen durften. Daher verwundert es mich auch nicht, dass der KI-Campus in seinem Abschlussbericht so gut wie keine Aussagen darüber macht, wer auf dem Campus eigentlich was gelernt hat. Meine Nachfrage dazu auf LinkedIn blieb leider bis heute unbeantwortet. Ich wiederhole die Fragen einmal hier:

  • Welche Lernziele sind im übergreifenden Kompetenzrahmenwerk zu Futureskills und Datenkompetenz des KI-Campus erreicht worden sind und welche nicht?
  • Wie sieht die Abbruchquote in den Kursen aus?
  • Wie viele Zertifikate wurden über den KI-Campus ausgegeben?
  • In wie weit werden die Zertifikate in den Hochschulen oder bei Arbeitgebern anerkannt?
  • Welches Niveau von Transfer in die Praxis konnte aus Lernersicht erreicht werden?

Warum ist das wichtig? Weil man die berichteten Kennzahlen für jede x-beliebige Videoplattform hätte nehmen können. Wenn im Ansatz der Evaluation noch noch nicht einmal ein subjektiver Lernzuwachs erfasst wird und diese Daten für den Zwischenbericht auch nicht notwendig sind, dann verstehe ich es nicht. Interessiert den Beirat nicht, wie erfolgreich die Kurse sind, um die entsprechenden Inhalte zu entwickeln und Lernziele zu erreichen? Falls doch, wieso gibt es kein Wort im Abschlussbericht zu Aspekten, die etwas mit dem Lernerfolg zu tun haben (ein Wort, welches im Abschlussbericht nicht vorkommt)?

Apropos Abschlussbericht: Bei einer so hohen Fördersumme wäre in anderen Ländern eine externe Begutachtung unumgänglich gewesen, aber hier scheint es ja auszureichen, ein paar quantitative Zahlen im Sinne des allseits kritisierten MOOC-Reporting zu nennen (Anzahl Accounts, Abrufe) in Kombination mit einer Auflistung von Aktivitäten und einer sog. SWOT-Analyse auf Post-Its, um dann die technischen Entwicklungsleistungen in den Vordergrund zu stellen, die aber ja Ende 2024 zum Teil obsolet sind, wenn man auf Moodle umzieht.

Ich will hier gar nicht die ursprüngliche Entwicklungsleistung schmälern und auch nicht die Geschwindigkeit, mit der der KI-Campus aufgebaut wurde. Und natürlich wurde über die Förderung zahlreiche Kurse entwickelt und es wurden viele weitere Initiativen gestartet. Trotzdem leisten wir uns eine nationale Lernplattform, die nach Jahren hoher Investitionen auf ein Standard-LMS wechselt und keinerlei Daten berichtet zu den Lerneffekten der Kurse.

In Berlin würde man wohl sagen: Nachtigall ik hört Dir trapsen!

Marco Kalz
Marco Kalz
Professor of Educational Technology

My research interests is on open education, pervasive technologies and formative assessment to support (lifelong) learning and knowledge construction.